Gastbetrag "Es wird Zeit.."
von Christian Sommer
CEO, German Centre for Industry and Trade Shanghai
Die Beziehungen zwischen Deutschland und China waren schon mal besser. Gründe dafür gibt es viele, und zwar auf beiden Seiten der Beziehungsenden. Die kürzlich offiziell veröffentlichte Chinastrategie der Bundesregierung gibt wenig Anlass zur Annahme, dass eine Verbesserung politisch wie wirtschaftlich angestrebt wird. Denn es geht um die Etablierung des neuen Status-Quo. Und in diesem Dreiklang Partner, Wettbewerber und Rivale hat in der gelebten Realität das gestiegene Misstrauen, die Rivalität, das De-Risking deutlich die Oberhand gewonnen.
Es wird Zeit,
hier eine Rekalibrierung zu erreichen, um dem entstandenen Ungleichgewicht zwischen diesen Begriffen, wenn sie denn schon in der Welt sind, entgegenzuwirken und die positiven Beispiele deutsch-chinesischer Zusammenarbeit hervorzuheben sowie neue Ansätze aktiv zu unterstützen. Dabei werden einseitige Abhängigkeiten zurecht als naiv bezeichnet. Gewinnbringende Kooperationen schaffen jedoch wirtschaftlich wie politisch Einflussmöglichkeiten auf den jeweils anderen, stehen im beiderseitigen Interesse global agierender Wirtschaftsnationen und zwingen zu rationalem Handeln. Denn anders als bei Einseitigkeit verlieren beide viel, wenn das Gewinnbringende eingestellt wird. Daher ist mehr statt weniger Kooperation die Antwort, und zwar nicht nur auf den von der Bundesregierung sehr begrenzt definierten Themenfeldern.
Es wird Zeit,
anzuerkennen, dass China sein politisches System nicht grundlegend ändern wird, ob nun in wirtschaftlich guten oder schlechten Zeiten. Und ich hoffe sehr, dass Deutschland das auch nicht tut. Die Feststellung dieser Unterschiedlichkeit ist wahrhaft nicht neu. Neu ist allerdings, diese Divergenz mit der feindseligen Wortwahl Rivalität zu brandmarken. Das ist meiner Ansicht nach diplomatisch wenig gelungen und vor allem nicht geeignet, ein dauerhaft notwendiges Miteinander oder auch Nebeneinander in der Welt konstruktiv friedlich zu fördern und zu fundieren.
Es wird Zeit,
Kompetenz vor Ideologie zu stellen, auch – und ich behaupte sogar erst recht – wenn die Auffassung bestünde, dass China dies nicht tue. Dass der Fokus auf Kompetenz tatsächlich ausbaufähig ist, verdeutlicht schon das Titelbild der Chinastrategie: Es zeigt das chinesische Brettspiel „GO“, leider mit den schwarzen und weißen Steinen, wie sie in der japanischen Variante gespielt werden. Damit nicht genug: Die abgebildete Spielsituation kann es so nicht geben, da sie gegen die Regeln verstößt. Die Einbindung der vorhandenen (!) breit gestreuten, wissenschaftlichen Exzellenz in Chinafragen wäre wünschenswert.
Es wird Zeit,
wieder als Vorbild zu überzeugen. Aus meinen zahlreichen Gesprächen mit Chinesen aus allen Gesellschaftsschichten hat die Vorbildfunktion Deutschlands gelitten, von der Vorbildfunktion Europas ganz zu schweigen. Das ist der Grund, warum ein Fingerzeig auf den anderen schnell zum politischen oder wirtschaftlichen Bumerang wird, wenn das eigene Vorbild Kratzer bekommen hat. Wer an der Gestaltung der Zukunft mitwirken möchte – und das möchte Deutschland – der wird um die Erforschung von Zukunftstechnologien nicht herumkommen. Und diese Forschung findet weltweit in internationalen Teams statt. Damit liegt der Ausbau der internationalen Forschungszusammenarbeit und Uni-Partnerschaften im Eigeninteresse Deutschlands.
Fazit: Ein Wettbewerb in Politik, in Wirtschaft oder auch der Systeme ist gut, denn wir müssen uns ständig neu beweisen. Rivalität wird dann überflüssig, wenn wir besser sind und bleiben.
25. August 2023